Herr Schmitz, bei HQAM gehören Sie zu den Experten für Big Data. Warum sind solch große Datenmengen für ein Quant-Haus wichtig?
Wir gewinnen daraus wichtige Informationen für unser Asset Management. Oft wird mit dem Begriff eine unregelmäßige Frequenz der Aktualisierung und eine schlechte Datenstruktur in Verbindung gebracht. Das trifft bei uns eher nicht zu. Wir haben es in der Regel mit sehr großen Datenmengen und einem hohen Komplexitätsgrad zu tun.

Dann sind Sie eher ein Spezialist für Data Science generell?
Ja, wir wollen uns nicht auf den Begriff Big Data reduzieren lassen. Aber klar ist: Herkömmliche Methoden des Datenmanagements und der Analyse reichen für unsere Arbeit nicht mehr aus. Dazu ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Wenn Sie mit dem Auto fahren, haben Sie nach einer Stunde beispielsweise 100 Kilometer zurückgelegt. Manchem mag das als Information ausreichen. Aber wir wollen es genauer wissen.

Weil sie nicht konstant 100 km/h schnell gefahren sind?
Das ist nur ein Durchschnittswert. Zwischendurch haben Sie beschleunigt und gebremst, an einer Ampel gehalten und Sie standen kurz im Stau. Wenn Sie nicht nur am Ende der Stunde, sondern alle zwei Sekunden eine Messung machen, bekommen Sie viel genauere Daten. Außerdem gewinnen Sie Einblick in andere Beobachtungen, die sie dann wieder für eine mögliche Prognose nutzen können: Straßenbeschaffenheit, Steigung, Verkehr, Verbrauch oder Wetter. Wer diese Daten wegwirft, erhält – wenn überhaupt – nur einen teilweisen Einblick in die Realität.

Aber auf diese Weise werden aber auch sehr viel mehr Daten generiert…
Die wir dann auswerten. Die sogenannten Data Warehouses gelten als reich an Daten, aber als arm an Informationen. Es gehört zu den Kernkompetenzen eines Quant-Teams, die besonderen Dinge zu finden. Wir sind quasi Schatzsucher. Hier sehen wir unsere besondere Stärke.

Dann arbeiten Sie mit verschiedenen Anbietern zusammen, von denen Sie Daten beziehen?
Genau. Wir nutzen bewusst nicht nur Standard-, sondern auch alternative Daten von mehreren Anbietern. Wichtig ist für uns, dass wir Zugriff auf Rohdaten bekommen. Eine mögliche Transformation der Daten oder auch Revisionen wollen wir selbst in der Hand behalten, um stets zu wissen, was mit unserem „Rohstoff“ passiert.

Wie viele Daten haben Sie auf dem Radar?
In der Aktienwelt covern wir jede Firma, die einmal börsennotiert war, selbst wenn das heute nicht mehr der Fall sein sollte. Das könnte der Fall sein, weil sie mit einem anderen Unternehmen fusioniert hat, oder weil sie Bankrott gegangen ist. In Summe haben wir von rund 70.000 Firmen alle verfügbaren Zahlen. Insgesamt reden wir hier von mehr als 1000 Datenpunkten pro Unternehmen wie etwa Umsatz oder Cash flow, aber auch die Sitzplatzauslastung einer Airline, die uns zum Teil für mehr als 35 Jahre vorliegen.

70.000 Unternehmen mal 35 Jahre mal 1000 Datenpunkten?
Bei Aktien aus dem MSCI World trifft das zu. Bei Small Caps ist die Datenhistorie zum Teil nicht ganz so lang. Aber alle relevanten Informationen sind auch hier verfügbar. Und natürlich geht es auch hier um große Zahlen: Denn die Items treten zum Teil mehrfach im Jahr auf, wie das beispielsweise bei Quartalszahlen der Fall ist.

Sind es im Makrobereich ähnlich viele Daten?
In der Makrozeitreihe sind es aktuell mehr als 700 Datenreihen, die wir uns regelmäßig systematisch anschauen und in unsere Modelle einfließen lassen.

Worauf achten Sie noch?
HQAM hat zwei große Angebotsfelder. Das eine ist die Einzeltitelselektion, das andere Allokationsstrategien, für die wir unter anderem viele Makrozeitreihen benötigen, wie etwa Einkaufsmanagerindizes oder Inflationszahlen. In beiden Bereichen kommt es immer wieder zu Revisionen, bei denen die Daten im Nachhinein verändert werden. Sprich, man muss darauf achten, dass man nur mit den Daten arbeitet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich vorhanden waren.

Also beispielsweise eine Inflationszahl, die im Nachhinein korrigiert wurde?
Oder die Geschäftszahlen eines Unternehmens. Wenn beispielsweise bei BMW das Geschäftsjahr am 31. Dezember endet, liegen am 1. Januar noch keine Umsatz- oder Gewinndaten vor. Diese werden oft erst im März vorgelegt und werden im Nachhinein eingepflegt. Die Richtigkeit solcher Daten ist sehr wichtig, um die Strategien sauber testen zu können.

Wie finden Sie heraus, ob die Daten richtig sind?
Da wir die Daten von verschiedenen Anbietern beziehen, können wir abgleichen, ob der Provider Änderungen vorgenommen hat, oder ob es vielleicht sogar einen Fehler gibt. Wenn die Zahl vorne nicht stimmt, kann hinten kein gutes Ergebnis herauskommen. Etwas flapsig gesagt: Garbage in, garbage out. Aber wir tun alles, um fehlerhafte Daten zu vermeiden.

Zum Interviewten

Martin Schmitz ist bei HQ Asset Management (HQAM) Senior Researcher im Bereich Aktienresearch. Er verfügt über Erfahrungen als Portfoliomanager sowie im Quantitative Research mit Schwerpunkt Backtesting und Faktor-Research im Bereich Aktien. Martin Schmitz studierte Wirtschafts-Informatik an der Fachhochschule für Ökonomie & Management in Essen.

Zu HQAM

HQAM gehört zu den Finanzdienstleistern der Familie Harald Quandt. Das Unternehmen bietet einen klaren Fokus auf quantitatives Asset Management für institutionelle und semi-institutionelle Anleger. Kunden sind Banken und Versicherungen ebenso wie Pensionskassen und Stiftungen. Maßgeschneiderte Portfolios stehen bei den Lösungsansätzen stets im Vordergrund.

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Martin Schmitz
Executive Partner
HQ Asset Management
Martin Schmitz ist bei HQ Asset Management (HQAM) Senior Researcher im Bereich Aktienresearch. Er verfügt über Erfahrungen als Portfoliomanager sowie im Quantitative Research mit Schwerpunkt Backtesting und Faktor-Research im Bereich Aktien. Martin Schmitz studierte Wirtschafts-Informatik an der Fachhochschule für Ökonomie & Management in Essen.
Inhalt
Martin Schmitz, Senior Researcher bei HQAM, über die Auswirkungen von Big Data auf das Asset Management, die Kernkompetenzen eines Quant-Teams – und eine Autofahrt mit vielen Daten.