Die Erkenntnis, wie sinnvoll der Einsatz quantitativer Analyseverfahren ist, setzt sich immer stärker durch. Dr. Lars Edler, Geschäftsführer und CIO von HQAM, über Machine Learning, mögliche Black Boxen – und was für die Konstruktion eines Portfolios entscheidend ist.

Warum Quant, Herr Dr. Edler?
Weil es sinnvoll ist. Schließlich gibt es auf der einen Seite immer mehr bezahlbare Rechenleistung und Speicherkapazität – und auf der anderen Seite eine Notwendigkeit, mit großen Datenmengen umgehen zu können.

Dann ist Quant für Sie keine Philosophiefrage?
Nein! Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn wir auf die Bilanz eines Unternehmens schauen, gibt es beispielsweise 100 Zahlen oder Ratios, auf die ein Analyst achten wird. Ganz vorne stehen natürlich Dinge wie Umsatz oder Gewinn. Aber dahinter kommen noch viele andere Kennzahlen: Ziffern, die zum Teil recht komplex sind und von Quartal zu Quartal zum Teil starken Änderungen unterliegen.

Und die zum Teil voneinander abhängen…
In der Tat. Die Herausforderung wird größer, wenn man diese Zahlen zusätzlich noch in Interaktion betrachten möchte. Zumal sich auch diese Elastizität im Zeitablauf verändern kann. Und dann haben wir ja nicht nur eine, sondern hunderte Firmen, die ein Analyst betrachten muss.

Wie viele Unternehmen kann ein Analyst dann betrachten?
Das unterliegt starken Varianzen. Es ist sicherlich etwas anderes, ob er oder sie einen großen Mischkonzern wie Siemens abdecken soll oder ein Unternehmen wie Puma mit einem vergleichsweise weniger komplexen Geschäftsmodell. Aber über den Daumen gilt: Wenn ein klassischer Analyst 15 bis 20 Firmen in der Tiefe abdeckt, hat er alle Hände voll zu tun.

Alleine im MSCI World sind aber mehr als 1500 Unternehmen…
Da können Sie sich ausrechnen, wie viele Analysten Sie benötigen, um diesen Index vollständig in der laufenden Analyse zu halten. Ohne dass hierbei schon Länderindizes berücksichtigt sind, die ja noch mehr in die Tiefe gehen.

Quant ist also eine Kostenfrage?
Nicht nur, aber das spielt natürlich eine Rolle. Asset Manager müssen sich überlegen, wie sie Informationen effizient verarbeiten. Und da bietet sich die Art und Weise, wie wir vorgehen, einfach an. Hinzu kommt, dass es letztlich keine Wissensvorsprünge oder Insiderwissen mehr gibt. Das ist im heutigen Regelwerk nicht mehr möglich: Allen am Markt liegen zur selben Zeit die gleichen kursrelevanten Informationen vor. Das heißt, der Gewinner unter den Anlegern kann heute nicht mehr derjenige sein, der einen Wissensvorsprung hat, sondern vielmehr der Marktteilnehmer, der die Fülle an Informationen am Effizientesten auswerten kann. Und da sind quantitative Häuser eindeutig im Vorteil.

Wie geht HQAM hier konkret vor?
Wir sind kein Unternehmen, das irgendwo eine Black Box hingestellt hat und deren Geheimnissen nun konsequent hinterherläuft. Wir arbeiten auf der Basis von Fundamentaldaten. Alles kommt letztlich aus den Bilanzen der Unternehmen und den Marktdaten. Unser Ziel ist es, herauszufinden, ob eine Firma im Vergleich zu anderen Unternehmen im gleichen Universum relativ gut dasteht oder nicht. Diese Einschätzungen können wir dann zur Konstruktion von Portfolien nutzen.

Welche Rolle spielen hier Themen wie Machine Learning oder Artificial Intelligence?
Machine Learning trifft es besser. Mit unseren Ansätzen haben wir eine Art „Armee von Analysten“ nachgebraut, die in der Lage ist, sehr schnell und unter Berücksichtigung von Interaktionen und Nichtlinearitäten für uns Daten auszuwerten. Insbesondere letzterer Punkt ist für uns sehr wichtig, da unsere Welt eben nicht linear aufgebaut ist und funktioniert. Da unser System auf der Basis von Regeln und Algorithmen arbeitet, kommen wir zu sehr kohärenten und konsistenten Ergebnissen. Dies kann bei einer Gruppe von Analysten, die jeweils nur Teilbereiche des Aktienmarktes abdecken, ein Problem darstellen.

Arbeiten klassische Analysten nicht systematisch?
Doch sicherlich. Aber um in dem Zahlenbeispiel zu bleiben: Wenn Sie 100 Titel covern wollen, benötigen Sie fünf Analysten. Da es sich um Menschen mit individuellen Erfahrungen und zum Teil Ausbildungshintergründen handelt, gehen sie aber nicht genau gleich vor: Der eine schaut stärker auf den Verschuldungsgrad eines Unternehmens, die andere legt einen Fokus auf eine andere Zahl, etwa den Cash Flow. Trotzdem müssen schlussendlich alle Meinungen zu einem stabilen Portfolio zusammengeführt werden.

Klassische Analysten bevorzugen also Kennzahlen, die bei ihren Analysen in der Vergangenheit gute Ergebnisse gebracht haben?
Sicher. Implizit arbeiten auch Menschen, die bereits Arbeitserfahrung haben, mit persönlichen Algorithmen. Welche Herangehensweise genutzt wird, ist oftmals hochindividuell und teilweise auch vom eigenen Karrierepfad abhängig. Somit unterliegen wir alle einem gewissen Bias. Unsere selbstlernenden Systeme werden dagegen permanent mit alternativen Pfaden und Szenarien konfrontiert. Sie bewerten jeden einzelnen davon völlig emotionslos und unverzerrt. Dadurch kommen wir zu Aktieneinschätzungen, die sehr rational auf der vorliegenden Fundamentaldatenlage basieren. Dies können wir unseren Kunden gegenüber transparent darstellen.

Können Ihre Systeme auch Kursbewegungen vorhersagen?
Die für uns wichtige Information im Einzeltitelkontext ist, dass Aktie X besser sein dürfte als 80 Prozent des Marktes. Ob die Aktie dann 0,5 oder 5,0 Prozent besser läuft – also sogenannte Punktprognosen – kann man nicht vorhersagen. Das ist für die Konstruktion eines erfolgreichen Portfolios aber auch gar nicht entscheidend. Es geht vielmehr darum, die guten Aktien von den schlechten zu trennen.

Zum Interviewten

Dr. Lars Edler ist Geschäftsführer und CIO von HQ Asset Management (HQAM) in Düsseldorf. Der promovierte Volkswirt ist Spezialist für quantitative Verfahren im Asset Management und verfügt über langjährige Erfahrung bei der aktiven Steuerung großer Vermögen institutioneller Investoren sowie wohlhabender Privatkunden.

Zu HQ Asset Management (HQAM)

HQAM gehört zu den Finanzdienstleistern der Familie Harald Quandt. Das Unternehmen bietet einen klaren Fokus auf quantitatives Asset Management für institutionelle und semi-institutionelle Anleger. Kunden sind Banken und Versicherungen ebenso wie Pensionskassen und Stiftungen. Maßgeschneiderte Portfolios stehen bei den Lösungsansätzen stets im Vordergrund.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bitte beachten Sie:
Die Vermögensanlage an den Kapitalmärkten ist mit Risiken verbunden und kann im Extremfall zum Verlust des gesamten eingesetzten Kapitals führen. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die Wertentwicklung in der Zukunft. Auch Prognosen haben keine verlässliche Aussagekraft für künftige Wertentwicklungen. Die Darstellung ist keine Anlage-, Rechts- und/oder Steuerberatung. Alle Inhalte auf unserer Webseite dienen lediglich der Information.

edler
Dr. Lars Edler
Geschäftsführer, CIO
HQ Asset Management
Dr. Lars Edler ist Geschäftsführer und CIO von HQ Asset Management (HQAM) in Düsseldorf. Der promovierte Volkswirt ist Spezialist für quantitative Verfahren im Asset Management und verfügt über langjährige Erfahrung bei der aktiven Steuerung großer Vermögen institutioneller Investoren sowie wohlhabender Privatkunden.
Inhalt
Die Erkenntnis, wie sinnvoll der Einsatz quantitativer Analyseverfahren ist, setzt sich immer stärker durch. Dr. Lars Edler, Geschäftsführer und CIO von HQAM, über Machine Learning, mögliche Black Boxen – und was für die Konstruktion eines Portfolios entscheidend ist.